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Mit Jesus Geburtstag feiern, darauf freuen wir uns jetzt schon!
- 21. Dezember 2018
- Posted by: Beer Theresia
- Category: Allgemein
Liebe Schülerinnen und Schüler, Kolleginnen und Kollegen.
Den meisten von euch habe ich bereits von meinem Kumpel Jesus erzählt. Ich werde ihn in den nächsten Tagen treffen, um seinen Geburtstag feiern. Das wird natürlich im Jösler sein, wo denn sonst? Eigentlich kennen wir seinen tatsächlichen Geburtstermin gar nicht, denn mit Bürokratie hatte es seine Familie nie so gehalten. Er war – ein paar Jahre auf oder ab – um die Zeitenwende, ganz sicher nicht am 25. Dezember. Aber das ist für uns beide nicht so entscheidend, Hauptsache, er ist auf die Welt gekommen, der Jesus.
Und das ist schon mal das 1. Kuriosum. Jesus, der Sohn von Gott, das hat er mir versichert, kommt zu uns auf die Welt. Tatsächlich zu uns, darauf hat mich die Kirche aufmerksam gemacht, so nennt man die Menschen, die versuchen sein Ding weiter zu machen – halt mehr oder eher weniger, eher weniger. Also dieser Jesus, Gott selber, kam damals auf die Welt. Wer an so etwas glaubt, darf sich nicht wundern, wenn er in Verdacht gerät, Drogen zu nehmen? Nicht umsonst vermuten manche Zeitgenossen bestimmte Substanzen im Weihrauch, der gerade zu Weihnachten die Kirchen im Übermaß vernebelt.
Noch mehr verwirrt mich immer das 2. Kuriosum: Der Ort und das soziale Umfeld, das sich mein Kumpel ausgesucht hat, um bei uns zu erscheinen. Erscheinen ist wohl gar nicht das passende Wort, denn es war gar keine großartige Erscheinung, eher ein erbärmliches Geschehen in jämmerlicher Gesellschaft. Liebe Schülerinnen der II. HLT, ich muss euch gratulieren, mit der Auswahl eurer beiden Geschichten habt ihr mehr von Weihnachten verstanden als so viele andere, die die Weihnachtsgeschichte mit einer frommen und feierlichen Sulze bis zur Unkenntlichkeit verschleiern.
Mein Kumpel hat mir erzählt, dass seine Geburt mit kuscheliger Stadelromantik rein gar nichts zu tun hatte. Das hätten ihm seine Eltern verraten. Das Chaos in eurer Krippengeschichte bildet eher die Botschaft und den Inhalt von Weihnacht ab. Denn die Geburt Jesu hat mit kaputten Familien, mit Verbrennungen und Verletzungen, mit dem Gefühl der Ausgrenzung und des Ausgetauschtwerdens zu tun. Mit Menschen, die zwar Weihnachten feiern, sich im Grunde aber darüber nur lustig machen. Ich hab meinem Kumpel Jesus gestanden, dass auch ich oft als Kind die Krippenfiguren samt der Hl Familie zu meinen wenigen Spielsachen integriert habe. Er hat das ganz ok gefunden.
Was mich aber heute besonders interessiert, und das werde ich ihn, das Flüchtlingskind, bei seiner Geburtstagsfeier fragen: Wer wäre wohl heute stolz jene Fluchtrouten geschlossen zu haben, an denen deine Familie gescheitert wäre, zu uns zu gelangen? Ausgerechnet jene Mächtigen, die nicht müde werden zu behaupten, dadurch das christliche Europa zu verteidigen. Du musst vor dir selber geschützt werden? Wer kann das verstehen? Wer würde deine Fluchtgründe anzweifeln oder dich als Asyltouristen verhöhnen und dafür Applaus und Zustimmung bei der nächsten Wahl ernten? Wer würde dich ohne mit der Wimper zu zucken abschieben wollen, obwohl du dich als Asiate wider Erwartung ganz prächtig integriert hast? Welche Beamten wären bereit, mitten in der Hl. Nacht, wenn noch alles schläft, in den Stall einzubrechen um Vater und Mutter samt Neugeborenem herauszuholen?
Liebe Schülerinnen und Schüler, ich habe mir keinen einfachen Kumpel ausgesucht und ich bin mir auch gar nicht mehr so sicher, ob mir das kleine Bier mit ihm im Jösler so gut schmecken wird. Jesus ist vor allem in schlechter Gesellschaft anzutreffen. Er hat auch weniger mit meiner Erfolgsgeschichte zu tun. Viel mehr mit meinen Schattenseiten, meinen ganz persönlichen aber auch mit den erbärmlichen und jämmerlichen Geschichten unserer Welt. Mit ihm Geburtstag zu feiern, darauf freue ich mich jetzt schon. Trotzdem!
Weihnachtsansprache von Mag. Karl Felder, 2018